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Merianin im Portrait

Ein Kupferstich und ein Gemälde

Zwei authentische Darstellungen der Merianin

Über Jahrhunderte war das bekannteste Portrait der Merianin ein Kupferstich auf einer der ersten Seiten der 1717 veröffentlichten niederländischen Ausgabe mit den drei Raupenbüchern. (1) Inmitten von vielen Accessoires schaut die Merianin ernst in Richtung des Betrachters.

Der farbige (= illuminierte) Stich aus der Artis Library in Amsterdam wirkt weniger streng, weil er auf einem Umdruck koloriert wurde. Bei einem solchen Abdruck auf einem zweiten Papier sind die Linien feiner als auf dem direkt in der Druckerpresse verwendeten Papier. Ein solcher aquarellierter Umdruck ist oft kaum von einer Zeichnung zu unterscheiden.

Diesem Altersportrait wird hier ein kleines Ölgemälde (59 x 50,5 cm) im Kunstmuseum Basel gegenübergestellt (Inv. 436, photo Martin P. Buehler). Auf der Rückseite wurde vor langer Zeit eine Inschrift hinzugefügt: MARIA SIBYLA MERIAN AET SVAE 32. ANNO 1679 (nicht mehr sichtbar, seit die Leinwand mit einer Holzplatte verstärkt wurde). (2)

Die auf den Betrachter gerichteten ernsten, wachen Augen der nicht mehr ganz jungen Frau können durchaus zu ihr passen. Ihre farblich zurückhaltende Kleidung wurde nicht nur in den reformierten Niederlanden, sondern auch in Nürnberg, insbesondere von Frauen aus zugewanderten Exulantenfamilien (Glaubensflüchtlingen) getragen. Andere Portraits (3) zeigen, dass der edel erscheinende Perlenschmuck hierzu nicht in Widerspruch stand. Oft war es preiswerter „Modeschmuck“, bei dem Glasperlen in eine Metalllegierung getaucht wurden.

Seit Herbst 1678 wohnte das Familienoberhaupt Jacob Marrell, der Lehrer von Maria Sibylla und Johann Andreas und für beide eine wichtige Vaterfigur, für längere Zeit bei den Graffs.

Am 5. November 1678 genehmigte der Nürnberger Rat einen besonderen Antrag: Jacob Marrell wurde gestattet, „bey seinem Stiefaydam Johann Andreas Grafen alhier zu wohnen ….“ (4) und der von seinem Schwiegersohn gestellte Antrag lässt darauf schließen, dass der Aufenthalt des Gastes auf längere Zeit geplant war. Damals war Maria Sibylla tatsächlich 32 Jahre alt und stillte vielleicht noch ihre kleine Tochter.

Die Ergebnisse der Spurensuche in den Nürnberger Ratsverlässen zusammen mit der Beschriftung auf der Rückseite der Leinwand unterstützen die Vermutung, dass Marrell dieses Bildnis gemalt hat.

Allerdings muss die Beschriftung auf der Rückseite des Gemäldes später hinzugefügt worden sein. Denn in Nürnberg war Maria Sibylla stets und eindeutig die „Gräffin“, allenfalls mit einem Zusatz wie „geborne Merianin“ oder „des verstorbenen Matthæi Merians des Eltern Seel. Tochter“. (5)

Ihren Mädchennamen Merian(in) als alleinigen Familiennamen hat sie erst nach ihrer Nürnberger Zeit und der endgültigen Trennung von Graff wieder angenommen. Jedoch auch hier schwinden etwaige Zweifel, ob die Dargestellte tatsächlich die Merianin ist: Denn das Gemälde ist später noch einmal überarbeitet worden (vgl. Details im Unterkapitel „Gereinigt odeer verschollen“). Es ist durchaus plausibel, dass die Beschriftung ebenfalls aus jener späteren Zeit stammt. Wenn man dieses Portrait mit dem Portrait als alte Dame auf dem kolorierten Umdruck in Amsterdam (Ausschnitt) vergleicht, ist die Ähnlichkeit ihrer Kopfform und ihrer Gesichtszüge erstaunlich, obwohl zwischen den beiden Portraits mindestens 35 Jahre liegen. Das alles unterstützt die Schlussfolgerung, dass das Bildnis der jüngeren Frau ebenfalls ein authentisches Portrait der Merianin ist.

Mit moderner Technik kann sogar ein gleitender Übergang von jung zu alt konstruiert werden.

Zwei Schichten: 1679 in Nürnberg und 1710/15 in Amsterdam

Zum Vergleich: Altersportrait in Amsterdam 1710/15 (Ausschnitt)

Merianin im Portrait

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Fiktive „Verschönerungen“

  1. Houbraken, Jakob nach Georg Gsell, Portrait der Maria Sibylla Merian als alter Dame, Illuminierter Umdruck des Titelkupfers in der niederländischen Ausgabe mit allen drei Raupenbüchern 1717, mit freundlicher Genehmigung der Artis Bibliothek, Universität Amsterdam, Legkast19
  2. Vgl. Informationen im Online-Katalog des Kunstmuseums Basel: Marrell, Jacob (?), Bildnis der Maria Sibyla [sic!] Merian 1679, 59,5 x 50 cm, mit freundlicher Genehmigung © Kunstmuseum Basel, Geschenk von Louise Bachofen-Burckhardt (1904) Inv. Nr. 436
  3. Daniel Preißler (1627 Prag – 1665 Nürnberg, Selbstbildnis mit Familie, Ölgemälde auf Leinwand, 1665 GNM, Gm923
  4. StaatsAN, Rep. 60a (Ratsverlässe) Nr. 2752 Bl. 79’, Auswertung durch Erich Mulzer (Lit 1999) S. 44
  5. z. B. Erstes Raupenbuch, Titelblatt; (MSM 1679) auch online in der Universitätsbibliothek Heidelberg
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