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Aus Alt wird Jung

Fantasievolle Erfindungen

Fiktive Verschönerung ihres Altersportraits

Auf dem Kupferstich in der gemeinsamen niederländischen Ausgabe aller drei Raupenbücher (1717) wirkt die Merianin streng und auf manche sogar abweisend, wenn der Stich nicht koloriert ist und die schwarzen Linien dominieren. Deshalb haben viele Künstler versucht, aus dieser Vorlage ein jüngeres Idealbild zu entwickeln. Der Wunsch nach einem Bildnis der Merianin auf der Höhe ihrer Schaffenskraft war verständlicherweise groß. Die Auswahl an solchen fiktiven „Verjüngungen“ ist fast unbegrenzt.

Sie spiegeln sowohl unterschiedliche Sichtweisen der Künstler wider als auch den Geschmack ihrer jeweiligen Zeit.. Das gilt sowohl für ihre Kleidung als auch für die schmückenden Accessoires. die um sie herum angeordnet werden.

Zwei der beliebtesten Beispiele stammen aus dem Zeitalter des Rokoko und zeigen eine erstaunliche Bandbreite, obwohl sie um 1760 im Abstand von 14 Jahren entstanden.

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Johann Rudolf Füßli, Verjüngtes Bildnis der Maria Sibylla Merian, Radierung in: Johann Caspar Füßli, Geschichte und Abbildung der besten Mahler in der Schweitz, Erster Theil, Zürich 1755 (1)

Johann Rudolf Schellenberg, Verjüngtes Bildnis der Maria Sibylla Merian, Radierung in: Johann Caspar Füßli, Geschichte und Abbildung der besten Mahler in der Schweitz, Zweyter Band, Zürich 1769 (2)

Das schlichte Portrait (links) wurde für die virtuelle Doppelausstellung mit Werken von Johann Andreas Graff bei Google Arts & Culture ausgewählt, die jederzeit seit 2019 im Internet angeklickt werden kann. Die heitere Darstellung mit den verspielten Putten (rechts) war der Aufmacher für eine Ausstellung im Nürnberger Stadtarchiv über die Zeit der Merianin in dieser Stadt (2017) und erhielt hierfür eine üppige Rahmendekoration.

Die Merianin entwickelte sich im Lauf ihres Lebens zu einer Geschäftsfrau, aber sie hätte sich bestimmt nicht träumen lassen, ihr nachempfundenes Konterfei sogar auf Zahlungsmitteln zu finden ist:

500-€-Schein bis 2002 (Einführung des €)

Vorderseite: Maria Sibylla Merian (1647-1717), Malerin, Kupferstecherin und Naturforscherin. Im Hintergrund: Gebäude des historischen Nürnberg

Rückseite: Raupe und Falter des „Grauen Streckfußes“, die auf einem Löwenzahn sitzen

Dauermarke von 1987 bis 2002 (Einführung des €); Entwurf: Gerd Aretz

Verglichen mit dem Ölgemälde der 32-Jährigen Merianin in Basel wirken diese konstruierten Verjüngungen vielleicht nicht immer überzeugend. Trotzdem sind sie interessante Ergänzungen für wissenschaftliche Forschungen. Sie zeigen, wie groß und anhaltend das Interesse an der Merianin über die Jahrhunderte ist.

Jede Forschung und jeder historische Roman spiegelt auch den jeweiligen Zeitgeist wider. Jede und jeder, der sich mit der außergewöhnlichen Persönlichkeit der Merianin befasst, macht sich „sein eigenes Bild“ in Worten oder in der bildenden Kunst in Gemälden, Zeichnungen, Stichen, beeinflusst vom jeweiligen Zeitgeist.

Auch „MERIANIN 2018+“ mischt sich ein und hat eine Briefkarte als kleines Geschenk für Aktive drucken lassen, die sich für den Insektenschutz einsetzen. Auf dieser Karte zeigt der Maler Michael Mathias Prechtl (1926-2003) die Merianin im Halbprofil in einem modernen, künstlerisch verfremdeten Scherenschnitt, wie sie ihr Gesicht hinter einer Halbmaske in Schmetterlingsform verbirgt.

  1. Einzelblatt, Radierung, Platte 35,7 x 25,2 cm, mit freundlicher Genehmigung: Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg, Inv. Nr. Portr. M 387,4
  2. Abbildung aus dem Titelblatt, Faltblatt zur Ausstellung 72: „Eine Spurensuche im Stadtarchiv, Nürnberg 2017“, mit freundlicher Genehmigung: des Stadtarchiv Nürnberg; Ausschnitt aus der Originalradierung Sign. StadtAN A7/1892
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