Schmetterlinge & Co. vor 350 Jahren und heute
Die lebenslange Forschung der Merianin galt den Insekten in ihrer pflanzlichen Umwelt, die sie in ihrer Schönheit mit unglaublicher Präzision immer wieder zeichnete, malte und in Kupfer stach. Wie sehr die Erforschung ihrer „kleinen Thierlein“ am Anfang stand, wird auch dadurch deutlich, dass es in ihren Raupenbüchern die Begriffe „Schmetterling“ und „Falter“ noch nicht gibt. Ihre „kleinen Thierlein“ waren noch weitgehend namenlos.
Deshalb verwendet sie als Überschriften zu den beschreibenden Kapiteln die Namen der Wirtspflanzen. Diese Bezeichnungen waren zu ihrer Zeit oft noch regional unterschiedlich, aber die Botanik ist schon so weit fortgeschritten, dass die Merianin ihre Kapitelüberschriften mit lateinischen Bezeichnungen vervollständigen kann. In ihren beschreibenden Texten dagegen konzentriert sich die Merianin auf ihre „Sommervögelein“ (Tagfalter) und „Motten“ (Nachtfalter) und viele andere Insekten.
Wenn wir in den Raupenbüchern der Merianin die Pflanzen auf den Bildern zusammen mit den Insekten in Wort und Bild der jetzigen Situation gegenüberstellen, wird deutlich, wie gefährdet der Lebensraum der Insekten und ihrer „Wirtspflanzen“ heute ist.
Damit sich überhaupt Schmetterlinge ansiedeln können, brauchen sie „Wirtspflanzen“, auf denen sie ihre Eier ablegen können. Wenn die Raupen geschlüpft sind, werden es ihre „Fresspflanzen“, auf denen sie sich verpuppen. Manchmal sind sie so gefräßig, dass nur noch dünne Stängel übrig bleiben, aber als Entschädigung für diesen kleinen Verlust entfalten die neuen Schmetterlinge ihre Flügel.
Viele Arten haben sich spezialisiert.
Wildhecken, z. B. mit Schlehen, werden von über 120 Schmetterlingsarten besucht.
Einige dieser „Wirts- und Fresspflanzen“ werden im Folgenden vorgestellt.
Im Vergleich mit unseren heutigen Beobachtungen
GROSSE BRENN-NESSEL (Urtica urens, major)
„Niemand hätte mich damals, als ich dergleichen obere schwarze Raupe bekam, zu glauben überredt, daß ein so gar schönes Sommervögelein aus einer solchen unformlichen Gestalt hervor kommen sollte. Ich habs aber darnach erfahren, daß aus mancher unansehnlicher Raupe oft etwas gar schönes worden ist. Dergleichen ganz schwarze Raupen findet man im Juni in nicht geringer Menge.“
Abbildung und Ausschnitt aus der Beschreibung im I. Raupenbuch der Maria Sibylla Gräffin, geb. Merianin, kolorierter Kupferstich Nr. 26
Große Brennnessel (Urtica dioica)
Familie: Brennnesselgewächse (Urticaceae)
Blütezeit: Juli bis Oktober
Viele Schmetterlingsraupen ernähren sich von der Großen Brennnessel. Für das Tagpfauenauge und den Kleinen Fuchs ist sie fast die einzige Nahrungspflanze.
Tagpfauenauge (Aglais io)
Familie: Edelfalter (Nymphalidae)
Die Entwicklung (Metamorphose) des Tagpfauenauges ist auch für andere Falter typisch. Die Abbildungen oben zeigen von links nach rechts: Eier, Raupen, Puppe und Schmetterling.
Foto (Falter): W. Dötsch
KLEINE ROTE BLÜHENDE JOHANNISBEERLEIN (Grossularia hortensis, non spinosa, florens)
„Zu Ende Juni kommen nun solche oben gemeldete Sommervögelein heraus: Auf den inwendigen Seiten sind sie gold- oder safrangelb mit braunen Flecken auf der auswendigen aber ganz braun, und haben darinnen ein kleines weißes lateinisches C deutlich zu sehen. Im übrigen verbleiben sie überaus nett mit gröbern und kleinerern Düpfelchen gesprengt.“
Abbildung und Ausschnitt aus der Beschreibung im I. Raupenbuch der Maria Sibylla Gräffin, geb. Merianin, kolorierter Kupferstich Nr. 14
Rote Johannisbeere (Ribes rubrum)
Familie: Stachelbeergewächse (Grossulariaceae)
Blütezeit: April bis Mai
Der Strauch ist eine beliebte Nahrungspflanze von Schmetterlingen und für uns durch seinen hohen Vitamin-C-Gehalt besonders gesund.
C-Falter (Polygonia c-album)
Familie: Edelfalter (Nymphalidae)
Auf der Flügel-Unterseite hat er ein deutlich sichtbares weißes C.
Foto (Falter): W. Dötsch
WALDSTROH (Gallium luteum)
„Solche Vögelein hatten zwischen den Hörnern einen langen Schnabel, womit sie die Süßigkeit aus den Blumen zu ziehen gewohnt sind. Sie haben einen sehr schnellen Flug. Also, daß es eine Mühe kostet, solche Vögelein zu fangen. Ich habe eines zu oberst auf dieses Blümlein gesetzt in der Gestalt, wie sie mit ihrem langen Schnabel die Süßigkeit der Blumen auszieht.“
Abbildung und Ausschnitt aus der Beschreibung im II. Raupenbuch der Maria Sibylla Gräffin, geb. Merianin, kolorierter Kupferstich Nr. 29
Echtes Labkraut (Galium verum)
Familie: Rötegewächse (Rubiaceae)
Blütezeit: Mai bis September
Vor allem die Raupen des Weinschwärmers und des kleinen Taubenschwänzchens ernähren sich vom Labkraut.
Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum)
Familie: Schwärmer (Sphingidae)
Dieser Falter legt seine Eier fliegend ab. Er schwirrt über die Blüten wie ein Kolibri. Den Nektar saugt er aus den Blüten mit einem langen Rüssel, den die Merianin „Schnabel“ nannte.
als Insektenweide
Die meisten Schmetterlinge nähren sich von Blütennektar. Bunte Blumenwiesen, einheimische Wildpflanzen und Kräuter sind ideal.
Tipp: nur einfache, ungefüllte Blüten eignen sich. Große exotische Prachtblüten werden kaum angenommen.
Bienen haben einen deutlich kürzeren Saugrüssel als Schmetterlinge. Für sie sollten deshalb auch Blumen mit flacheren Blütenkelchen dabei sein. Blütezeiten möglichst über den ganzen Sommer verteilen, auch zeitige Frühjahrsblüher.
Schmetterlinge überleben nur auf Flächen ohne Gift und Pestiziden. Für das Schmetterlingsbeet eine sehr sonnige Stelle wählen.
Ein beliebter Strauch ist der Schmetterlingsflieder (Buddleja davidii). Man sollte allerdings auch bei Sträuchern einheimische Arten einplanen, die nicht, wie dieser, nur im Sommer Nahrung bieten.
BLAUER MERTZENVEIL (Viola Martia purpurea)
„In diesem zweyten Teil soll die wunderbare Verwandelung der bekanten Bienen anjetzo den Anfang machen. Und weil das Liebliche, als das Honig in den Blumen deroselben Speise ist, als hab ich vor allen andern den blauen, wohlriechenden Mertzenveil (weil eben diese liebliche und nutzbare Blume, eine von den Erstlingen des blühenden Jahres ist) hiebei gefügt.“
Abbildung und Ausschnitt aus der Beschreibung im II. Raupenbuch der Maria Sibylla Gräffin, geb. Merianin, kolorierter Kupferstich Nr. 1
Duftveilchen (Viola odorata)
Familie: Veilchengewächse (Violaceae)
Blütezeit: März bis April
Insekten profitieren von der sehr frühen Blüte des Duftveilchens, auch Märzveilchen genannt.
Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis)
Familie: Megachilidae
Sie nimmt Nisthilfen gern an und gehört zu den ersten Bewohnern von Insektenhotels.
DIE BRENNENDE NESSEL (Urticae urentis folia)
„gebrauchte die Raupe zu ihrer Speise und veränderte sich in einen haarfarbenen Dattelkern, welcher sich mit seinem Hinterteil an etwas anhängt, den Kopf aber hinunterwärts. Nach vierzehn Tagen ist ein gar schöner Sommervogel herausgekrochen von Farbe und Zierde so schön, daß ich niemals schönere gesehen habe, in-dem selbe sehr viel kleine Zierrat in einander von allerlei Farben haben.“
Abbildung und Ausschnitt aus der Beschreibung im II. Raupenbuch der Maria Sibylla Gräffin, geb. Merianin, kolorierter Kupferstich Nr. 41
Fallobst ist eine wichtige Nahrungsquelle für manche Schmetterlingsarten. Wenn im Spätsommer viele Nektarpflanzen verblüht sind, saugt der Admiral den süßen Saft aus angegorenen Äpfeln, Birnen und Pflaumen. Danach torkelt er beschwipst in der Luft.
Admiral (Vanessa atalanta)
Familie: Edelfalter (Nymphalidae)
Dieser prächtige Wanderfalter ist ein Sommergast, der sich sogar in unseren Städten wohlfühlt. Er ist fast auf der ganzen Welt zu Hause und überwintert in wärmeren Regionen.
Foto (Falter): W. Dötsch
Distelfalter (Vanessa cardui)
Familie: Edelfalter (Nymphalidae)
Bevorzugte Fresspflanzen: (Kratz-)Disteln
Er findet viele Nektarpflanzen auch auf Brachland und an Feldrändern. Als Wanderfalter überfliegt er sogar wie der Admiral die Alpen.
Foto: W. Dötsch
Zitronenfalter (Gonepteryx rhamni)
Familie: Weißlinge (Pieridae)
Sein Lebensraum sind Waldränder und Gärten. Er ist schon ganz früh im Jahr an den ersten Blüten zu sehen. Rote und violette Blüten gehören zu seinen Favoriten.
Foto: W. Dötsch
Landkärtchen (Araschnia levana)
Familie: Edelfalter (Nymphalidae)
Es bevorzugt den Nektar der weißen Doldenblütler. Oft werden durch Herbizideinsätze ganze Generationen getötet.
Foto: W. Dötsch