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Leseprobe Merianin

Maria Sibylla Merianin und Johann Andreas Graff

Gemeinsames und Trennendes

Übersicht – Erster Teil

1. Ehe und vierzehn gemeinsame Jahre in Nürnberg – Sprungbrett für die Karriere der Merianin?

1.1 Nürnberger Herkunft von Johann Andreas Graff

1.2 Künstlerische Ausbildung von beiden in der Frankfurter Familie der Merianin

1.3 Graffs Wanderjahre in Italien

1.4 Familiengründung in Frankfurt

1.5 Umzug in die Kultur- und Bürgerstadt Nürnberg

1.6 Leben und Arbeiten im Haus am Milchmarkt

1.7 Maria Sibyllas Nürnberger Werke

1.8 Nürnberger Gartenkultur als Paradies für Schmetterlingsforscher

1.9 Ausblick auf das Gedenkjahr 2017 für die Merianin

Abkürzungen für Archive u. ä.

Abkürzungen für die Sparten der Literatur

Endnoten

Literatur

Blick vom Turm der Kaiserkapelle neben dem „Maria-Sibylla-Merian-Garten“ auf die Dachlandschaft der Altstadt mit dem Graff-Merianin-Familienhaus in der Bergstraße
Foto: Dieter Lölhöffel

1. Ehe und vierzehn gemeinsame Jahre in Nürnberg – Sprungbrett für die Karriere der Merianin?

Im Jahr 1679 erschien in Nürnberg ein neuartiges Buch, das sogar nach mehr als 330 Jahren noch Beachtung findet. Postkarten mit Motiven aus diesem Buch werden weltweit in Museumsshops verkauft, und Jahreskalender erscheinen regelmäßig mit attraktiven großformatigen Abbildungen. Aber die Verfasserin dieses Werks über die Verwandlung von Insekten in ihren unterschiedlichen Entwicklungsstufen zusammen mit ihren Wirtspflanzen ist nicht unter ihrem Namen als „Maria Sibylla Gräffinn“ bekannt geworden; so nannte sie sich selbst ebenso wie ihre Nürnberger Umwelt während ihrer 20-jährigen Ehe mit einem Nürnberger Maler.

Weltberühmt wurde diese Tochter des bereits verstorbenen (=Seel.[igen]) berühmten Kupferstechers und Verlegers, Matthäus Merian des Älteren, unter ihrem Mädchennamen, den sie nach ihrer Trennung von ihrem Nürnberger Ehemann wieder annahm. Dieser Johann Andreas Graff war ihr erster Verleger und langjähriger Lebenspartner, aber sein Name ist heute weitgehend vergessen, obwohl auch Drucke von ihm selbst erhalten sind.

Einige Autoren, die Graff noch im Zusammenhang mit Maria Sibylla Merianin erwähnen, schildern ihn entweder als farblos und rätselhaft, oder als untüchtig und unzuverlässig, manchmal sogar als trunksüchtig und gewalttätig.

Aus Anlass des 300. Todestags der Merianin 2017 wird es neue Veröffentlichungen über diese frühe Ikone eines selbstbestimmten, mutigen Frauenlebens geben – jetzt ist also die richtige Zeit für einen etwas genaueren Blick auf ihre Nürnberger Zeit im Haus „Zur Goldenen Sonne“ mit ihrem Mann, ihren Töchtern und einem großen persönlichen Umfeld mit günstigen Voraussetzungen für ihre Entwicklung zur Künstlerin, Insektenbeobachterin und Sachbuchautorin.

Kurt Wettengl schrieb im Katalog zur großen Ausstellung in Frankfurt 1997 über Maria Sibylla Merianin anlässlich ihres 350. Geburtstags lakonisch über Johann Andreas Graff: „Sein Werk ist bisher wenig bekannt und erforscht.“ (3) Dieser Satz steht also in einem Sammelband, der wegen seiner umfassenden Beteiligung von verschiedenen Merianin-Forschern und seiner bewundernswerten Detailgenauigkeit inzwischen zu Recht als Standardwerk der Merianin-Forschung gilt. Diese Forschungslücke besteht weiterhin – erstaunlich und wegen des anhaltenden Interesses an Leben und Werk der Merianin nur schwer verständlich.

Weiße Flecken in der veröffentlichten Merianin-Forschung oder sogar hartnäckige Missverständnisse gibt es insgesamt für ihre Nürnberger Zeit. Intensivere  Nachforschungen in Archiven vor Ort und in älterer Literatur sind aufschlussreich und können dazu beitragen, den Lebensweg dieser großartigen Frau und die Rahmenbedingungen für ihren frühen Erfolg besser zu verstehen.

Ausschnitt aus dem Titelblatt zum ersten Raupenbuch 1679 (1)

Ausschnitt aus dem Deckblatt einer Serie von 16 Nürnberger Stadt- und Kirchenansichten 1694 (2)

1.1 Nürnberger Herkunft von Johann Andreas Graff

Wie wichtig waren Johann Andreas Graff und die Ehegemeinschaft für zwei Jahrzehnte im Lebensweg der Merianin? War Nürnberg nur eine ermüdend provinzielle Zwischenstation mit großer Arbeitsüberlastung, oder konnte sie hier ihr Lebensthema entwickeln, ihre Persönlichkeit entfalten und der Öffentlichkeit die ersten unverwechselbaren Ergebnisse ihrer intensiven Naturbeobachtungen vorlegen? Ohne einen genaueren Blick auf ihren damaligen Lebenspartner können diese Fragen nicht zuverlässig beantwortet werden.

Johann Andreas Graff wurde im Dreißigjährigen Krieg Anfang Mai 1636 in Nürnberg geboren. Sein Vater: Johann Graff (latinisiert: Gravius, 1595-1644) war aus Marisfeld (Grafschaft Henneberg in Thüringen) nach Nürnberg zugewandert. Die Graff-Familie wurde heimisch in dieser Stadt mit wissensdurstigem und sammelfreudigem „Bildungsbürgertum“.

Johann Gravius war Schulmeister und wurde von der Nürnberger Universität in Altdorf als ‘poeta laureatus’ geehrt. 1487 hatte Kaiser Friedrich III. in der Tradition der antiken Dichterkrönungen zum ersten Mal einen deutschen Dichter mit einem Lorbeerkranz (laurea) geehrt, und ab 1622 erhielt die Nürnberger Universität durch kaiserliches Privileg das Recht, diese Auszeichnung für besondere Verdienste um Sprache und Rhetorik zu verleihen. (4)

Der Kupferstich zum Gedenken an Gravius weist in der Umschrift auf dem ovalen Rahmen um die Halbfigur auf diese Ehre hin und zeigt, wie sehr er geachtet wurde, obwohl er kein geborener Nürnberger war. Auf dem unteren Teil des Blattes wird er gelobt als berühmtes Gestirn in der Schar der Musenjünger und großer Apoll, (6) „nobile sidus Aonii gregis, et magnus Apollo“. Ein sehr ehrenhafter Vergleich für den Herrn Magister, weil der griechische Gott Apoll als Beschützer der Schönen Künste und Lenker der Musen sogar noch in der Barockzeit große symbolische Bedeutung hatte.

Dieser erste Teil des Aufsatzes (41 Seiten) von Margot Lölhöffel ist zusammen mit anderen Aufsätzen über Nürnberger Themen erschienen in den Nürnberger Altstadtberichten, Nr. 40/2015. Das Jahresheft kann für 8,00 € (zuzüglich Versand und Verpackung) bestellt werden in der Geschäftsstelle:

Altstadtfreunde Nürnberg e.V.
Weißgerbergasse 10
90403 Nürnberg
Telefon: +49 911 50 72 36 0
E-Mail: info[at]altstadtfreunde-nuernberg.de

Gedenkblatt für den verstorbenen Schulrektor Johann Gravius (5)

  1. Gräffin, Maria Sibylla (MSM 1679), Ausschnitt aus dem Titelblatt des ersten Raupenbuchs; mit freundlicher Genehmigung der StadtBN, Handschriftenabteilung, Sign. Med. 332.4
  2. Graff, Johann Andreas, Ausschnitt aus dem Deckblatt zu „Urbis Noribergensis Insigniorum Templorum“ von 1694, Kupferstich, Platte 21,5 x 21 cm; mit freundlicher Genehmigung der StädtMN, Kunstsammlungen, Inv. Nr. Gr.A.09987
  3. Wettengl (Lit 1997) S. 36, Nr. 18
  4. Mährle (Soz 2000) S. 93
  5. Somer, Mathias van (Stecher), Gedenkblatt für Johann(es) Graf (Gravius), Kupferstich/Radierung, Platte: 18,4 x 12,2 cm, Blatt: 18,6 x 12,6 cm; mit freundlicher Genehmigung © Herzog Anton Ulrich Museum (HAUM), Braunschweig, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen, Fotonachweis: Museumsfotograf, Inv. Nr. m-v-sommer-ab-30006; Dank an Renate Ell, Hettenshausen, für den Hinweis auf die Fundstelle im Internet
  6. Dank an Dr. Hans-Martin Hagen, Nürnberg, für die Übersetzung mit hilfreichen Erläuterungen
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