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Kaufbriefe

Das Haus „Zur goldenen Sonne“ als Eigentum der Familie Graff

Immobilientransfer damals

Die Neigung der Nürnberger, alles möglichst genau zu regeln, die Ergebnisse zu verschriftlichen und dieses Schrifttum über Jahrhunderte zu bewahren, erleichtert es, Licht in eine bestimmte Epoche der Stadtgeschichte zu bringen. Solche Unterlagen werden allerdings in verschiedenen Archiven aufbewahrt, zu denen in Nürnberg vor allem das Staatsarchiv, das Stadtarchiv und das Landeskirchliche Archiv gehören.

Für die Hausforschung werden Recherchen dadurch erschwert, dass in der Lorenzer und der Sebalder Altstadt manche Straßen und Gassen noch keine Namen hatten und es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts überhaupt keine Hausnummern gab. Bei einem Verkauf wurde das Haus oft durch einen Hausnamen oder durch Angaben über die Namen der Eigentümer der Nachbarhäuser lokalisiert. Dies ist allerdings nicht immer ein Nachteil, sondern manchmal ein wichtiger zusätzlicher Hinweis, um Eigentümer der Nachbarhäuser zu ermitteln.

Über den Hausbesitz der Familie Graff (heute Bergstraße 10) um 1650 erfahren wir beispielsweise nur etwas, weil ein anderes Haus in der Nähe verkauft wurde. Denn im Staatsarchiv wird eine aufwändig gestaltete Urkunde des „siebenfarbeigen Alphapets“ von 1649 mit einer wunderschönen Initiale aufbewahrt.

In diesem Kaufbrief von 1649 (1) für eine Behausung in der „St. Sebalder Pfarr an der undern Schmidt­gaßen oberhalb des Alten Milchmarcks“ werden ein gegenüberliegenden Haus und sein Besitzer erwähnt:
„ … gegen über des weiland (ehemaligen) Erbarn und Wohlgelehrten Herrn Johann Graffen, Rectoris des Löbl. Gymnasӳ beӳ St:Ægidien seel(ig), (verstorben), Frauen Wittib (Witwe) und Erben (hier: ihren Kindern) Behaußung“. Sogar der Name dieses Nachbarhauses, damals „Zur Sonnen“, wurde angegeben.

Damit steht fest, dass „die Behaußung Zur Sonnen“ schon im Familienbesitz war, als Johann Andreas Graff ein kleiner Junge war und sein Vater 1644 starb. Im Sebalder Beerdigungsbuch ist mit dem Zusatz „auf dem Milchmarkt“ verzeichnet, dass seine Mutter 1649 starb – also in demselben Jahr, als das gegenüberliegende Nachbarhaus verkauft wurde.

Mehr als 50 Jahre später wurde das Haus „Zur Goldenen Sonne“ wieder verkauft. In den Stadtgerichtsbüchern, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, ist der Verkauf in einem drei Seiten langen Text mit dem Datum 11.02.1705 dokumentiert (2). Johann Andreas Graff (beerdigt am 09.11.1701) war also schon mehr als drei Jahre tot, als seine Witwe, die zweite Ehefrau Anna Maria, geb. Hofmann, sich von dem Anwesen trennte.

In einem Kurzeintrag im digitalen Häuserbuch der Stadt Nürnberg im Stadtarchiv wird der Inhalt zusammengefasst: „Datierung 1705: Die Malerswitwe Anna Maria Graf verkauft an den Notar und Arithmeticus Christoph Sigmund Leyß die am Milchmarck, einerseits eckfrey, andererseits an […] Johann Christoph Aigens Haus liegende Eigenbehausung, zur gulden Sonnen genannt, um 1.650 fl.“

Der mehrseitige Eintrag im amtlichen Stadtgerichtsbuch des Rates der Reichsstadt ist jedoch so interessant, dass er unten in Kopie mit Transkription zu lesen ist. In seiner Genauigkeit und seiner sorgfältigen Formulierung besteht er den Vergleich mit heutigen notariellen Urkunden. Er ist als Dokument der damaligen Zeit ähnlich „anschaulich“ wie historische Stadtansichten. Seine Lektüre vermittelt einen wichtigen Einblick in die Struktur der damaligen Stadtverwaltung mit vielen juristischen, sozio-ökonomischen und sogar kulturellen Details im Zusammenleben der Stadtgesellschaft.

Zusätzlich bemerkenswert sind bei beiden Dokumenten (1649 und 1705) die kalligraphische Gestaltung und die deutliche Handschrift der professionellen „Schreiber“. Dies sind Beweise für die qualitätsvolle Arbeit im Nürnberger Rathaus schon kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs bis (mindestens) in das 18. Jahrhundert.

Seitdem wurde die Orthographie verändert und vereinheitlicht. Manche Worte verschwanden inzwischen aus dem deutschen Sprachgebrauch und werden in der rechten Spalte durch Synonyme erklärt.

Verkaufsdokument des

„HAUSES ZUR GOLDENEN SONNE“

Im Jahr 1705 in den Stadtgerichtsbüchern

S. 138v:
Der Erbare u. Wohlgelehrte Chri-
stoph Sigmund Leӳß, Not[arius] Cæ[sareus] Publ[icus].
und Arithmeticus allhier kaufft.

Zu wissen und kund seӳ hiemit jeder-
männiglich, dem oder denen es zu wissen
vonnöthen, Daß anheut zu End geseztem Dato vor Ei-
nem Ehrlöblich sizenden Stadt Gericht persönlich erschie-
nen, die respective Erbare, Wohlgelehrte und fürneh-
me Friederich Windisch, Schreibereӳverwandter,
und Johann Philipp Höffler, Gold- und Silber-Ar-
beiter allhier, als beede Oberherrlich constituirte Vor-
mündere über des Weil[and]*) Erbarn und Kunstreichen Jo-

S. 139r:
hann Andreas Grafens, Mahlers allhier seel[igen]*)
hinterbliebenes Kind lezter Ehe, dann die Erbare und
Tugendsame Frau Anna Maria, obgedachten Joha¯n
Andreas Gravens [sic!] hinterlassene Wittib mit Beӳstand
vorgemelter beeder Vormundere und haben allda re-
spective tutorio & proprio nomine frey offentlich
verjahet,*) bekannt und angezeigt, was maßen Sie auf zu-
vor hierüber gehabten reiffen Rath und guten Bedacht,
um verhoffentlich respective ihr und ihres Pfleglings
beßern Nuzen und From̅ens willen, absonderlich auf
das 6.)*), den 16ten Novembr 1703, gerichtlich erkannte
Decretum alienationis, die, in St. Sebalder Pfarr am
Milchmarck einerseits Eckfreӳ, anderseits an des Er-
barn Johann Christoph AigensHausliegende freӳ, lauter und
eigene vordere und hintere Behausung zur gulden
Sonnen genannt, wie solche mit Nied Nagel und Band
ob und unter der Erden umfangen ist samt allen ihren
habenden Liechten*) und Trüpffen**), Aus- und Eingängen,
Rechten und Gerechtigkeiten, wie auch allen andern Zu-
und Eingehörungen, eines redlich und unwiderruflichen
Kauffs, als solcher denen allgemeinen beschriebenen
Rechten sonderbahr aber hiesiger Stadt Löbl[lichen] Reformati-
on und Ordnung nach, wider männiglichs Anfecht- und
aberkennen im̅er am kräftigst und beständigsten ge-
schehen solle, kan und mag, verkaufft und hiermit nochmals
für freӳ lauter und eigen zu kauffen gegeben haben
wolten, dem Erbarn und Wohlgelehrten Christoph
Sigmund Leyßen, Notar[io] Cæsar[eo] Publ[ico] und Arith-
metico allhier, dann auch der Erbarn und Ehrntugend-
samen Frauen Anna Maria, seiner Ehewirthin,
auch all ihren Erben und Nachkom̅en, um und für Sech-

S. 139v
zehen Hundert und Funfzig Gulden Kauffs und
Zwölff Gulden Leykauffs-Summa, guter gangbarer
Münz- und Landeswehrung, jeden derselben zu 15 Baz[en] oder
60 Kr[euzer] gerechnet. Welchen Kauff-Schilling und Ley-
kauff*) Verkauffere von gedachten kauffenden Christoph
Sigmund Leyßischen Eheleuthen anheut zu End gesez-
tem Dato gar baar, ohne allen Mangel und Abgang em-
pfangen zu haben hiemit bekänntlich und geständig sind,
und deswegen Sie, Kauffende Leyßische Eheleute, Ihre
Erben und Nachkom̅en wie auch die Behausung selbst als
auf welcher die Verkauffere respective tutorio et pro-
prio nomine keinen Kreuzer mehr zu fodern haben,
in bester Rechts und Gewohnheits-Form auf im̅er und ewig
hiermit quittiret haben wolten.
Hierauf nun und solchemnach gereden und versprechen
Eingangs benannte Verkauffere respe[ctive] propio et
tutorio nomine gedachten Christoph Sigmund
Leyßischen Eheleuthen, all ihren Erben und Nachkom-
men, dieses aufrecht und redlich getroffenen Kauffs, auch
aller hierwider in gebührender Zeit fürfallender
Stritt*), Irr-, Hinderung und Einträg halber Stadtgebräu-
chige gute Gewehrschafft Fertig und Vertrettung zu
thun und zu leisten, Sie verzeihen*) und begeben sich auch
zu mehrers gedachter Behausung und deren Pertinen-
tien*) gehabter Recht und Gerechtigkeiten, **)Zusprüch
und Anfoderungen transferirt und wendeten hie-
gegen selbige, nebst Extradirung aller hierüber ver-
lautenden Brieflichen Documentorum miteinan-
der an mehrgedachte Kauffere und Ihre Erben, wolten
Sie auch hierdurch, als einen rechtmäßigen Ankunffts-
Titul in ruhige nuzliche Possess*) und Gewehr urthatig*)

S. 140r:
immittiret und eingesezet haben dergestalt und also,
solche erkauffte Behausung zu beziehen, zu bewohnen, in-
nen zu haben. zu nuzen, nießen und zugebrauchen,
andern zu verlassen, oder aber gar wieder zu ver-
kauffen und sonst damit zu thun und zu lassen, zu schal-
ten und zu walten wie und was Ihnen jederzeit eben
und gelegen, auch nuz und beförderlich seӳn wird, ohn
verhindert ihrer der Verkauffere, ihrer allerseits
Erben, noch sonst männiglichs von Ihrentwegen für
baß ewig, Erbar, getreulich und ohne Gefährde.
Diesen Kauf samt einverleibter Total-Quittung
über den erlegten Kauff-Schilling der 1650 fl*) und Leӳ-
Kauff der 12 fl*) hat öfters mentionirter Christoph
Sigmund Leӳß für sich, seine Ehewirthin, all ihrer
beeden Erben und Nachkom̅en vor benügsam ange-
nom̅en. Actum in Judicio 4.)*) den 11ten Febru-
arÿ A°. 1705.

  1. Staatsarchiv Nürnberg, Sign. Rst Nbg. Urkunden des siebenfarbigen Alphabets, Nr. 4163a; auf der Ostseite des Sonnengässchens gelegen, Adresse ab 1796: „S 462“, wahrscheinlich 1793 eingestürzt, Adresse heute: Obere Krämersgasse 24; inzwischen wurde dort das Gässchen erweitert.
  2. Stadtarchiv Nürnberg, Sign. B14 I Nr. 184v bis 140r; Adresse ab 1796: „S 443“, Adresse heute: Bergstr. 10
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