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Glückwünsche von Graffs jüngerem Bruder

Gedrucktes Hochzeitsheftchen

GEDICHTE VON GOTTLIEB GRAFF

Titelblatt und 15 gedruckte Seiten

Hymenaeisches Freuden-Gemähl *)
welches so wol
Der Edlen Mahler-Kunst
als bevorab **)
Dem Erbarn / Vorachtbarn und Kunsterfahrnen
Herrn Johann Andreas
Graffen /
und
Der Tugendreichen Jungfrauen
Marien Sybillen
Merianin / ***)
Als Zweyen in der Mahlerey wolgeübten
und geliebten Personen / zu schuldigen Ehren /
an Ihren Hochzeitlichen Ehren-Fest
Mit geringfügigem / doch Wunsch-vollem
Pinsel vorgestellet **)
von
Gottlieb Graffen.

Altdorff / ****)

Im Jahr 1665. den 16. Maij. *****)

Erläuterungen zum Titelblatt

*) „Hymenäisch“ wird vom Autor als Alternative zu „hochzeitlich“ formuliert, denn Hymen war der Gott der Hochzeit in der antiken Mythologie.
„Gemähl“ kann „Gemälde“ bedeuten, denn am Ende dieses Titelblatts, nach 13 Zeilen stellt er seine Verse „mit geringfügigem, doch wunschvollen Pinsel“ vor.

**) „als bevorab … (15 Zeilen weiter unten) … vorgestellet“: Wahrscheinlich konnte der Bruder Gottlieb Graff nicht an der Hochzeit teilnehmen, weil der Weg zu weit war. Seine Gedichte sind deshalb ein besonderes Zeichen der Verbundenheit.

***) Die Bezeichnung „Merianin“ zeigt, dass weibliche Endungen am Familiennamen für Mädchen und Frauen damals nicht nur in Nürnberg, sondern auch in Frankfurt üblich waren und dass deshalb die Benennung dieser umfangreichen Webseite als www.merianin.de korrekt ist.

****) Gottlieb Graff, der fünf Jahre jüngere Bruder, studierte damals an der Nürnberger Universität im Landstädtchen Altdorf, das damals zu ihrem reichsstädtischen Territorium gehörte.

*****) Fundstelle: Ratsschulbibliothek Zwickau,
Sign. 48.8.7.(6); MF 5628
Online digitalisiert ist bisher das Titelblatt.

Der Verfasser und seine Gedichte

Während das andere Heftchen auf neun Seiten unterschiedliche Gedichte von drei Verfassern, den „guten Gönnern und ungefärbten Freunden“ enthält (siehe gesonderte Auswertung), umfasst dieses Heftchen sogar 15 Textseiten und wurde von einem einzigen Verfasser gestaltet, von Gottlieb Graff (1641-1708), dem fünf Jahre jüngeren Bruder von Johann Andreas Graff. Der große Bruder muss für ihn eine wichtige Bezugsperson gewesen sein, denn sein Vater starb schon vor seinem dritten Geburtstag und seine Mutter fünf Jahre später.

(1) Gottlieb Graff lebte damals in Altdorf, einem Landstädtchen auf Nürnberger Territorium, in dem sich die wichtige Universität der Reichsstadt erfolgreich entwickelte. Nach seinem Studium dort war Gottlieb Graff jahrzehntelang ein anerkannter Lehrer in Nürnberg. Seine wortgewandten Gedichte zur Hochzeit seines Bruders zeigen seine umfangreiche Bildung.

(2) Gottlieb vergleicht Frankfurt und Nürnberg und preist beide. Nürnberg nennt er – wie damals üblich – seines Bruders „Vaterland“ und die Stadt Frankfurt lobt er:

(3) Er gedenkt der Verstorbenen: der Graff-Eltern sowie des Merian-Vaters und lässt sie aus dem Jenseits freudig Anteil nehmen.

(4) Er kennt sich aus in der Geschichte der Malerei und verbindet sie mit Erläuterungen über die Bedeutung der verschiedenen Farben.

(5) Er verteidigt die Malerei – damals nur ein „Handwerk“ – als „Kunst“.

Diese Sichtweise auf die Kunst hat der Verfasser wohl von seinem älteren Bruder übernommen. Es ist mit Sicherheit zu vermuten, dass Johann Andreas zeitlebens ein prägendes Vorbild für den Jüngeren war. Diese Lobgedichte enthalten deshalb viele wertvolle Informationen sowie Beurteilungen. Wegen der engen Beziehung zwischen den Brüdern müssen sie auch den Ansichten von Johann Andreas entsprochen haben. Zudem spiegeln sie indirekt wider, wie positiv aufgeschlossene Teile der Nürnberger Bürgerschaft die Bedeutung von künstlerischer Arbeit einstuften und diese mit Aufträgen förderten.

Damals war Reisen kostspielig und beschwerlich. Besuche zu Familienfesten oder Bildungsreisen („Grand Tour“) konnte sich meistens nur die vermögende Oberschicht leisten. Der Kunsthandwerker Johann Andreas Graff war zwar bis nach Rom gereist und verbrachte sechs Jahre in Italien, um seine Fähigkeiten als Maler und Kupferstecher zu vervollkommnen, aber solch eine lange „Fortbildung“ im Ausland war ungewöhnlich für den Handwerkerstand. 1664 kam er bei seiner Rückkehr nach Frankfurt auch nach Nürnberg und hat vielleicht schon damals von seinen Heiratsplänen erzählt und Briefe dazu geschrieben.

Es ist unwahrscheinlich, dass Gottlieb bei der Hochzeit im Mai 1665 selbst in Frankfurt war. Vermutlich hat er stattdessen seine sorgfältig formulierten und gedruckten Verse geschickt.

Vielleicht hat er seine Schwägerin Maria Sibylla erst drei Jahre nach der Hochzeit kennengelernt, als das junge Ehepaar mit der kurz zuvor geborenen ersten Tochter Johanna Helena nach Nürnberg umzog.

Ähnlich wie bei der in diesem Text bereits erläuterten These über die Bedeutung der Kunst für beide Brüder wird hier angenommen, dass die Verse von Gottlieb den idealen Vorstellungen des Bräutigams von der zukünftigen gleichwertigen „Rollenverteilung“ in dessen Ehe entsprechen:

Für den zweiten Teil seines Gedichtbändchens ruft Gottlieb den Gott Apollo aus der griechisch-römischen Mythologie zusammen mit dem Chor seiner Musen zu einem Lobgesang auf Braut und Bräutigam auf. Beide werden in vielen Strophen freundlich in die Welt der Künstler aufgenommen, wie beispielsweise:

Die Musen verabschieden sich am Ende des Büchleins, indem sie für das Paar nicht nur künstlerischen, sondern auch finanziellen Erfolg erhoffen:

Interpretation: Margot Lölhöffel

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