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Fundstücke ohne Original

Gereinigt oder verschollen

Letzte Spuren in Fotografien

1904 wurde dem Kunstmuseum Basel ein kleines Ölportrait geschenkt. (1) Damals vermittelte es jedoch einen anderen Eindruck als heute: Die Merianin trug keine Ohrringe und eine viel bescheidenere Perlenkette.

Als das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg um die Ausleihe für einen Ausstellung in Nürnberg anlässlich der 250. Wiederkehr des Todesjahres von Maria Sibylla Merianin bat, wurde das Portrait in Basel gereinigt, bevor es auf die Reise nach Nürnberg ging. Zur Überraschung aller Beteiligten stammte ein Teil der Haare aus einer Übermalung, um die Ohrringe zu verdecken, und der höher gezogene Kragen ließ die Perlenkette schmaler erscheinen.

Diese Veränderung des Gemäldes wurde entfernt, als das Gemälde gereinigt wurde. Wir wissen nicht, wer die Übermalung vornahm und wann sie geschah, aber es erscheint wahrscheinlich, dass damit auch die Beschriftung auf der Rückseite zusammenhängt und dass beides aus der Zeit stammt, als die Merianin sich bei den Labadisten in Friesland von der Welt zurückzog. Damals nahm sie ihren Mädchennamen wieder an, der auch auf der Rückseite des Gemäldes vor der Verstärkung des Bildträgers zu lesen war.

Zustand des Ölgemäldes bis 1976, Nr. 436

1988, ISBN 9783407806758

Der Katalog für die Ausstellung in Nürnberg war schon gedruckt und zeigt den früheren Zustand. (2) Dieser sollte nicht als Verfälschung abgetan werden. Er kann auch ein Zeichen für eine neue Einstellung der Merianin zu ihrer Umwelt und für ihre Zuwendung zum reformierten Glauben sein. Deshalb spricht dieses Portrait vielleicht manche Autor*innen und Leser*innen besonders an.

Leider sind derzeit nur schwache Kopien von einer anderen wichtigen Zeichnung verfügbar. Die Kopie dieser signierten, getuschten Federzeichnung aus dem Erbe des Fürsten Paravicini wurde zweimal veröffentlicht: in einer Zeitschrift (1958) (3) und in einer Merian-Biographie (1980). (4)

In der Signatur ist für den Vornamen Georg ein gespiegeltes „G“ mit dem ersten Buchstaben des Nachnamens „Gsell“ verbunden und „delineavit“ bezeichnet ihn als Zeichner/Entwerfer.

Signatur auf dieser Zeichnung: „GGsell delineavit“

Gedicht über Maria Sibilla Merian unter der Zeichnung in Niederländisch

Wo Gott vom Menschen das annimmt, was recht ist,
macht dieser das Beste aus seinen Talenten und lebt friedlich mit seinem Schöpfer.
So brachte Frau Merian als Geschenk ihren Bleistift mit,
und macht auch andere Kunst fruchtbar, indem sie den Schauplatz
von Wundern aus Gottes Hand (die sie mit ihrem Auge genau beobachtete
und verfolgte und auch tief in Amerika vermehrte)
Lasst Ihr nun ihren Fleiß zum Wohle dieses Geschlechts,
das, wie der kleine Wurm zeigt, sich um Verwandlung bemüht.

Aus dem Kabinett von Mrs. Koerten Blok
Übersetzungsversuch Margot Lölhöffel, Nürnberg

Dieser verwitwete Schweizer Barockmaler, Kunstsachverständige und Kunsthändler Georg Gsell (1643-1740) wohnte mit seinen Töchtern zur Miete mehrere Jahre bis zu ihrem Tod (1717) im Haus der Merianin.

Danach wanderte Gsell noch im selben Jahr nach St. Petersburg aus. Als Hofmaler des Zaren war er sehr erfolgreich und baute zusammen mit seiner zweiten Frau, der jüngeren Graff-Merian-Tochter Dorothea Maria, die Kunstakademie auf. (5)

Ein direkter Vergleich der signierten Zeichnung mit dem Kupferstich wäre hilfreich, aber anscheinend befindet sie sich derzeit unerreichbar in Privatbesitz. Gsell stand Maria Sibylla nahe, wie das Gedicht zeigt, und die Ähnlichkeiten zwischen der (signierten!) Zeichnung und dem gedruckten Stich sind so auffällig, dass Gsell der Entwerfer („Inventor“) des Stichs sein muss.

Georg Gsell, Federzeichnung mit Portrait der Merianin und Lobgedicht; wahrscheinlich Vorlage für den Kupferstich von Houbraken mit ihrem Altersportrait

  1. vgl. Kunstmuseum Basel, Informationen im Online Katalog, Nr. 436
  2. Rücker, Elisabeth, Maria Sibylla Merian, Nürnberg 1967
  3. Unternehmenszeitschrift: „CIBA-Blatt“ von 1958, Nr. 155, S. 16, Abb. 2
  4. Pfister-Burghalter, (1980, Abb. 59)
  5. Davis (1995), p. 201
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